Last Updated on 28. August 2025

Marc-Kevin Goellner (r.) mit Tennisunternehmer Marc Raffel

Wenn sich die Tennisprofis vom 31.08. bis 07.09.2025 im Meerbuscher TeReMeer wieder die gelben Filzkugeln um die Ohren hauen, heißt es bei den Kirschbaum International präsentiert von der Volksbank Meerbusch erneut: Game, Set and Match – ATP Tennis an Rhein & Ruhr. Wir hatten kurz vor Turnierstart die Gelegenheit, mit einem Tennispromi über den Mythos und den Erfolg des ehemals weißen Sports zu sprechen.

Die Älteren unter uns erinnern sich noch: Umgedrehte Kappe, kompromissloser Einsatz – und ein legendärer Sieg gegen Ivan Lendl in Nizza. Marc-Kevin Goellner war Teil des deutschen Davis-Cup-Siegerteams, Weggefährte von Boris Becker und zählt zu den prägenden Gesichtern des deutschen Herrentennis seit den 1990er-Jahren. Heute betreibt er eine eigene Tennisakademie in Köln und ist nach wie vor nah dran am internationalen Spitzentennis. Wir sprachen mit ihm über Boris Becker, Talentförderung – und darüber, was auf der Tour heute anders ist.


Redaktion 01: 40 Jahre Wimbledon-Sieg von Boris Becker – wo warst Du damals?

Marc-Kevin Goellner: Ich war am Strand von Recife in Brasilien. Boris’ Sieg war einfach unglaublich. Er ist eine Ikone und das Größte, was wir im deutschen Tennis je hatten.

Redaktion 02: Du bist drei Jahre jünger als Boris – was zeichnet ihn aus? Und was Eure Spielergeneration?

Marc-Kevin Goellner: Ich habe dreimal gegen Boris gespielt – er hat mich jedes Mal auseinandergehobelt. Seine Spielintelligenz war außergewöhnlich. Aber noch beeindruckender war seine mentale Stärke. Er hat immer einen Weg gefunden zu gewinnen.

Redaktion 03: Sinner gegen Alcaraz – ist das das neue Leistungslevel auf der Tour?

Marc-Kevin Goellner: In der Tat! Das Finale in Paris war ein echtes Tennisschmankerl – fünf Stunden Vollgas auf allerhöchstem Niveau. Schade, dass es ein Ende geben musste. Carlos wollte den Sieg zum Schluss vielleicht ein kleines bisschen mehr, war mental frischer – und hat sich den Triumph verdient. Irre!

Redaktion 04: Wie hat sich das internationale Tennis seit Deiner aktiven Zeit verändert?

Marc-Kevin Goellner: Alle Spieler auf der Tour sind heute topfit – wer da nicht auf höchstem Niveau unterwegs ist, hat keine Chance. Die Bälle sind größer und schwerer, das kostet viel Energie. Was etwas verloren gegangen ist, ist die Taktik: Alle hauen drauf, Slice, Volley oder Tempowechsel sieht man selten.

Redaktion 05: Du betreibst im Kölner Süden Deine eigene Akademie – wer ist Deine Zielgruppe?

Marc-Kevin Goellner: Unsere Zielgruppen sind leidenschaftliche Tennisspieler – unabhängig vom Alter. Spaß ist uns ebenso wichtig wie sportlicher Ehrgeiz. Wir helfen eigentlich jedem, der sich verbessern will.

Redaktion 06: Was rätst Du Eltern eines talentierten 10-jährigen Jungen?

Marc-Kevin Goellner: Nicht zu früh spezialisieren, nicht zu früh auf Turniere schicken. Die Technik ist das A und O – wer technisch stark ist, kann Taktik umsetzen, Spiele gewinnen und in der Rangliste steigen. Der Spaß am Sport muss dabei aber immer im Vordergrund stehen.

Redaktion 07: Kommt das große deutsche Tennis zurück?

Marc-Kevin Goellner: Leider sind es aktuell zu wenige, die richtig Gas geben. Das deutsche Schulsystem lässt kaum Leistungssport zu – unsere Talente können die notwendigen Trainingsumfänge oft gar nicht leisten. Zudem müsste die Bundesliga die Zahl ausländischer Spieler begrenzen. Der TC Bredeney macht es gut – aber das ist die Ausnahme. Wenn sich da nichts ändert, wird es für das deutsche Tennis schwer.

Redaktion 08: Zverev – Kritik von Becker und Rittner. Wie siehst Du seine Situation?

Marc-Kevin Goellner: Ich sehe das ähnlich wie Boris und Barbara. Wenn Sascha verliert, scheint er oft die Schuld bei äußeren Umständen zu suchen. Viele raten ihm zu offensiverem Spiel, näher an der Grundlinie, mit mehr Netzangriffen. Aber das muss er selbst wollen – und sich selbst vertrauen. Nur das zählt. Mal schauen, was die US Open für Sascha bringen. Ich drücke ihm alle Daumen!

Redaktion 09: Tennis boomt, aber Hallen werden geschlossen – ist der Tennissport bedroht?

Marc-Kevin Goellner: Es muss wieder so werden wie früher: Zurück zu den Wurzeln! In den Vereinen muss wieder mehr passieren – mit funktionierender Gastronomie, Familienprogrammen und mehr gemeinsamer Zeit im Club. Wenn alle gleichzeitig sportlich aktiv sind, steigt auch der Spaßfaktor – und Tennisflächen bleiben erhalten.

Redaktion 10: Wie hoch ist die Bedeutung der Kirschbaum International als 30.000 US-Dollar Event grundsätzlich einzuschätzen?

Marc-Kevin Goellner: Turniere der ATP Challenger Tour und der ITF World Tennis Tour sind vor allem für aufstrebende Talente und Nachwuchsspieler eine optimale Gelegenheit, um sich nach vorne zu spielen. Insofern sind diese Turnierformate mega wichtig für unseren Spitzensport und unser Spitzentennis. Leider gibt es jedoch zu wenige dieser Turniere in Deutschland – hier muss eindeutig mehr passieren. Vorbilder sind Nationen wie Italien, Frankreich oder Spanien. Die Qualität der Matches ist unfasslich hoch, ein Genuss für uns Tennisfans.

Redaktion 11: Marc, vielen Dank für das Gespräch!

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